L�sst sich der Gletscherschwund mit Beten bannen?
19.08.2009 von Webmaster
Hat Gott das Gel�bde erh�rt? Seit 331 Jahren wurde in den Oberwalliser Gemeinden Fiesch und Fieschertal daf�r gebetet, dass der Aletschgletscher nicht mehr w�chst. Nun wollen die Gl�ubigen das Gel�bde der heutigen Situation anpassen.
Es gab eine Zeit, in der der Aletschgletscher wuchs und wuchs. Er r�ckte bedrohlich nahe ans Dorf heran. Dazu kamen die Ausbr�che des M�rjelensees. 35 Mal brach der Eisstausee im 17. Jahrhundert oberhalb von Fiesch aus.
1678 legten die Bewohnerinnen und Bewohner von Fiesch und Fierschertal ein Gel�bte ab, in dem sie vor Gott und der Welt kund taten, fortan tugendhaft zu leben und brav zu beten, dass der Gletscher sein Wachstum einstelle. Sie hielten einmal pro Jahr eine mehrst�ndige Prozession im Ernerwald ab, um gegen das Wachstum des Gletschers zu beten. Die Prozession fand am Tag des Gr�nders des Jesuitenordens, dem Heiligen Ignatius von Loyola, am 31. Juli statt.
Pfarrer Johann Joseph Volken, ein Vorfahre des heutigen Regierungsstatthalters Herbert Volken leitete 1678 das Gel�bde seiner Gemeinde an die n�chste kirchliche Instanz weiter, den Bischof von Sitten. Von dort aus gelangte es an den Nuntius der r�misch-katholischen Kirche der Schweiz in Bern, der es dem Vatikan zur Absegnung unterbreitete. Papst Innozent segnete das Gel�bde ab.
Kulturelle Strategien gegen Gletschergefahren
Die vom Institut "Alpiner Raum" der Universit�t Insbruck 2008 ver�ffentlichte Publikation "Kulturelle Strategien & Reflexionen zur Pr�vention und Bew�ltigung von Naturgefahren" erkl�rt, worum es bei der so genannten "Gletscherbannung" ging. Bedrohungen durch die Natur wie Gletscherabbr�che, Gletschersee-Ausbr�che oder Murg�nge wurden als Strafe Gottes f�r s�ndhaftes Verhalten interpretiert.
Das erkl�rt, warum die Bewohner und Bewohnerinnen von Fiesch und Fieschertal Gott Tugendhaftigkeit versprachen.
"Gletscherbannungen" sind aus dem ganzen Alpenraum bekannt. Auch das Aufstellen von so genannten "Gletscherkreuzen" zeugt vom den Versuchen, die Gletscher zu b�ndigen.
1862 wurde das Gel�bte der Fiescher und Fieschtaler noch verst�rkt: Die Prozession wurde zweimal j�hrlich durchgef�hrt.
Gletscher schmilzt weg
Heute aber schmilzt der Gletscher in rasantem Tempo weg. Nach der Interpretation des Regierungstatthalters Herbert Volken wurde das Gel�bde erh�rt. Er meint dazu: "Offenbar hat das Gebet der Gl�ubigen genutzt. Der Gletscher ist in den letzten Jahren nach dem Hoch von 1865 stark, zu stark, zur�ckgegangen. Nat�rlich halfen dabei auch die Klima-Faktoren wie die Industrie, Heizung in den H�usern, Autos auf den Strassen und Flugzeuge am Himmel durch CO2-Ausstoss mit".
Deshalb war k�rzlich nun den Medien zu entnehmen, dass der Fiescher Dorfpfarrer Pascal Venetz an einem Schreiben f�r den Papst arbeite. Es wird wieder �ber den Bischof via Nuntiatur an den Vatikan gelangen. Statt f�r den R�ckgang soll nun f�r das Anwachsen gebetet werden d�rfen.
Volken sagt dazu: "Wir haben �ber Jahrhunderte f�r den Gletscherr�ckgang gebetet. Jetzt m�chten wir dem Gel�bde ein neues Ziel geben: Der Gletscher soll nicht mehr weiter schmelzen, sondern er muss wachsen. F�r diese Gel�bde-�nderung allerdings brauchen wir die Zustimmung des Heiligen Vaters in Rom".
Klimawandel in der Osterbotschaft
Volken ist �berzeugt, dass er bei Papst Benedikt XVI Geh�r finden wird."In seiner diesj�hrigen Osterbotschaft hat das Oberhaupt der katholischen Kirche den Klimawandel angesprochen. Das Thema ist weltweit brandaktuell."
Waren es beim Gel�bde von 1678 existenzielle Gr�nde, die konkrete Bedrohung der D�rfer durch das Gletscherwachstum und Seeabbr�che, sind es nun wirtschaftliche Gr�nde, die zur Ver�nderung des Gel�bdes f�hrten.
�ber 400'000 �bernachtungen z�hlt das 1000-Seelen Dorf Fiesch pro Jahr. Die G�ste w�rden nicht mehr kommen, wenn der Gletscher als Touristenattraktion nicht mehr da w�re, dar�ber ist sich der Regierungsstatthalter im Klaren: "Diese Besucher haben unter anderem ein klares Ziel: Sie kommen, um den m�chtigsten Eisstrom in den Alpen, den Grossen Aletschgletscher zu bewundern."
An sch�nen Sommertagen fahren �ber 2500 Touristen von Fiesch aus mit der Seilbahn auf das Eggishorn. Von dort aus haben sie eine herrliche Ausschicht auf die einmalige Bergwelt mit den vielen Viertausendern und den grossen Aletschgletscher.
"Wenn der Gletscher wegschmilzt, haben wir keine Lebensgrundlage mehr. Tourismus und Wasser - davon leben wir. Tourismus ist unsere einzige Einnahmequelle. Wenn der Tourismus in Fiesch nicht floriert, sind wir schlecht dran", sagt Volken. In der Region existiere zwar ein gesundes Gewerbe, aber es sei bescheiden und klein und h�nge sehr eng mit dem Tourismus zusammen.
Audienz im Herbst?
Vielleicht l�sst sich auch der Gletscherwund mit Beten bannen. Die Fiescher und Fieschertaler hoffen, noch in diesem Herbst eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. zu erhalten. Sie sind zuversichtlich, dass der Heilige Vater in ihrem Sinne entscheiden wird.
Sollte es tats�chlich zu einer Audienz der Fiescher in Rom kommen, hat Initiant Herbert Volken noch einen Plan auf Lager, der sicherlich einen riesigen PR-Effekt h�tte. "Ich werde den Papst zu einem Besuch auf dem Aletsch-Gletscher einladen. Als patentierter Bergf�hrer werde ich ihn nat�rlich pers�nlich begleiten".
Eveline Kobler und Geraldo Hoffmann, swissinfo.ch
GLETSCHER UND HEXEN
Es sei in der neueren Literatur mehrfach und immer wieder best�tigt, schreibt Volkskundler Hans Haid in "Gletscherbannungen, Bittg�nge, scharfe Gel�bde, Kinderprozessionen zum Ferner", dass in der so gennanten "kleinen Eiszeit", die von 1590 bis 1850 dauerte, eine rasante Zunahme des Hexenwesens vermeldet wurde. In den stark vergletscherten Alpenregionen Gletschersee-Ausbr�che und und Extrem-Wassersch�den "Wettermachern" und "Hexern" zugeschrieben wurden.
Prozessakten von 1679 aus dem Zillertal belegen dies: Ein Mann namens Thomann J�chel, der als "Wettermacher" vor Gericht stand, wurde angelastet, er habe den Ausbruchbruch des Fischbachs, der vom Gletscher Vernagtferner gestaut wurde, verursacht. Er und zw�lf andere Angeklagte wurden f�r schuldig befunden und hingerichtet.
Der Artikel ist in der Publikation "Ist es der Sindtfluss?
Kulturelle Strategien & Reflexionen zur Pr�vention und Bew�ltigung von Naturgefahren" des Instituts "Alpiner Raum" der Universit�t Insbruck erschienen.
EINE DER GR�SSTEN GEMEINDEN DER SCHWEIZ
Fieschertal ist eine politische Gemeinde des Bezirks Goms im deutschsprachigen Teil des Kantons Wallis in der Schweiz.
Fieschertal liegt unterhalb des Fieschergletscher am Ende des Tales und war bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhundert von Fiesch aus nur zu Fuss erreichbar.
Fieschertal ist mit 17'295 ha fl�chenm�ssig eine der gr�ssten Gemeinden der Schweiz, wobei 15'966 ha im Weltnaturerbegebiet liegen. Das Gemeindegebiet reicht im Norden bis zum Jungfraujoch.