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Tote Kinder in den Medien
07.08.2006 - 13:48 von Webmaster

Grausame Kriegsbilder:
Tote Kinder in den Medien



Bericht als Video (ndr.de)


Der Krieg im Nahen Osten schockiert die Welt: Am vergangenen Wochenende starben bei israelischen Angriffen über 30 Kinder. Das Fernsehen zeigte die grausamen Bilder, viele Zeitungen druckten identische Fotos mit toten Kindern auf Seite eins. Alles Propaganda? Die Aufnahmen und Filme entfalteten ihre Wucht: Auf der ganzen Welt ist man entsetzt. Die internationale Politik forderte einen 48-stündigen Waffenstillstand, der hielt nur kurz. Hat Israel diesen Kampf der Bilder bereits verloren? Zapp über die politische Wirkung brutaler Kriegsaufnahmen.



Bilder Naher Osten


Bilder des Grauens, ausgestrahlt am Sonntag zur besten Sendezeit - weltweit auf fast allen Kanälen. Tote Kinder waren in europäischen Medien bislang ein Tabu. Hier präsentieren Helfer die Toten wie Trophäen. Am Montag sind die Zeitungen voll von Kinderleichen und Helfern. Vor allem von einem Helfer, obwohl im Text von vielen die Rede ist. Dieser Mann, der manchmal als "Rot-Kreuz-Mitarbeiter" untertitelt wird, manchmal als "Mitarbeiter des Zivilschutzes". Keine Zeitung weiß, wer er wirklich ist. Er liefert die Bilder des Tages. Und diese sollen zeigen, wer die Guten und wer die Bösen in diesem Krieg sind. Als gäbe es ein Drehbuch. Andreas Trampe, Leiter Bildredaktion "Stern": "Natürlich werden solche Bilder inszeniert. Die Frage ist dabei immer, wo fängt Inszenierung an und wo hört es auf. Der Fotograf, der zu spät kommt und sagt zu dem Retter, der ein Kind aus den Trümmern zieht: Können sie mal einen Moment innehalten? Und dann das Foto macht, würde ich noch nicht als Inszenierung unbedingt bezeichnen, aber wenn der Retter natürlich noch mal mit dem Kind zurückgeht, um es noch mal in die Kamera zu tragen, weil der Fotograf oder der Kameramann nicht schnell genug war, dann fängt es an inszeniert zu werden, irgendwo."


PR-Profis an der Front?


Aber wo fängt die Inszenierung an? Zweifel an scheinbar eindeutigen Bildern: "Who is this man", fragen Internet-Blogger. Wer ist dieser Mann? Hier kursieren Gerüchte, der Helfer habe die Kinder in Szene gesetzt für die Kamera. Und zwar stundenlang. Immer wieder hin - und hergetragen. Immer wieder neu geborgen. Belege aber gibt es keine. Waren PR-Profis pünktlich an der Front? Redakteure am Schreibtisch können über die Realität nur rätseln. Bilder sind längst keine Belege mehr, erst recht nicht im Krieg. Also ist die Frage: Will man das Bild drucken oder nicht? Die "taz" wollte. Sie ist eine der wenigen überregionalen Zeitungen, die mit dem Bild aufgemacht hat. Petra Schrott, Ressortleiterin Foto "taz": "Wir verlassen uns darauf, dass die Nachrichtenagenturen mit denen wir zusammenarbeiten, das die wissen, welche Leute setzen sie ein. Und wir gehen davon aus, dass natürlich das Material überprüft wird. Das heißt, dass es ein Vertrauensverhältnis gibt zwischen einer Agentur und demjenigen, der die Bilder erstellt, das die miteinander bekannt sind in dem Fall."


"Möglichst wenig Sensation"


Die "Hamburger Morgenpost" appelliert: "Stoppt dieses Grauen". Eine eindeutige Position mit Bild, gedruckt trotz möglicher Ungereimtheiten. Matthias Onken, Chefredakteur "Hamburger Morgenpost": "Es war offensichtlich, dass nicht nur draufgehalten wurde, sondern dass der Mann in Position gebracht wurde. All das ist ja kein Argument, dass man möglicherweise diesen Angriff rechtfertigt oder die Wahrheit der Toten, der vielen Opfer die es gegeben hat, in Frage stellt." Hans Joachim Kleinsteuber, Professor für Medienwissenschaft: "Also mir wäre wichtig, dass gesagt wird, wo das Bild herkommt, was die Rahmenbedingungen sind und das Journalisten das einstellen, weil sie meinen, dass das den Bericht gut visualisiert, also bildlich ergänzt. Aber ob das so stattgefunden hat und ob das charakteristisch ist, kann niemand hier beurteilen." Andere haben sich von vornherein gegen die Bilder entschieden, zum Beispiel die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Statt toter Kinder hier "nur" ein verletzter Erwachsener. Peter Sturm, Leiter der Nachrichtenredaktion "Faz": "Es gilt der Grundsatz: Möglichst viel Information bei möglichst wenig Sensation. Und die Dinge waren schrecklich genug für sich genommen. Und wenn man einen Eindruck von dem bekommt, was passiert ist in der Zeitung, dann ist das meiner Meinung nach völlig ausreichend. Und wir hatten ein Bild von zerstörten Häusern, wir hatten Helfer und wir hatten ein Opfer."
"Medien sind Teil des Krieges"

Die "Frankfurter Rundschau" hat ganz auf die Fotos verzichtet; eine Entscheidung nach langer Diskussion. Stephan Hebel, Leitender Redakteur "Frankfurter Rundschau": "Wir achten sehr darauf, nicht einseitig zu werden, durch die Titelung und die Bebilderung unserer Berichterstattung. Da gibt es große Gefahr. Da gibt es die Gefahr, Israel platt anzuprangern, wir kritisieren sehr heftig, aber wir wollen nicht platt anprangern, und es gibt umgekehrt die Gefahr, Israel ohne es zu kritisieren, in Bausch und Bogen unkritisch zu verteidigen. Auf diesem Grat bewegen wir uns ständig." Die brutalen Bilder hatten ihre politische Wirkung, einen Waffenstillstand. Der aber hielt nur kurz. Israel veröffentlichte Militärbilder: Aus Kana seien Raketen abgeschossen worden. Israel in der Defensive, denn diese Bilder schockieren nicht mehr. Der Krieg geht weiter. Der Kampf mit Bildern auch, weltweit. Der arabische Raum setzt schon lange auf die Macht der Bilder. Jede Partei mit ihrer eigenen PR-Strategie. Hans Joachim Kleinsteuber: "Die Medien sind immer Teil eines solchen Krieges. Und Journalisten müssen sehr aufpassen, dass sie nicht funktionalisiert werden von einer der beiden kriegsführenden Seiten."

Quelle: NDR Fernsehen ZAPP - http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID2923098_REF2488,00.html



Weitere Infos:

- http://eureferendum.blogspot.com > "Qana - the director's cut"
- Artikel: "Kana: Wurden tote Kinder missbraucht?"
- Bildstrecke: "Kana - Wurden tote Kinder missbraucht?"


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