Bne Akiwa Schweiz » Judentum »
Nachschlag zum Purimfest: Purim-Lektion
06.03.2007 - 18:03 von Webmaster




Von Me’ir Shalev


War König Ahasveros wirklich so dumm wie wir ihn gerne beschreiben? Das ist nicht ganz sicher. Auf jeden Fall war er ein König mit einer Agenda: Festessen interessierten ihn mehr als Kriege und Frauen mehr als Staatsangelegenheiten. Die Entscheidung, alle Juden in Persien zu töten, traf er während eines kurzen Treffens mit Haman, das mit einem anständigen Trinkgelage endete. Doch dem Benehmen seiner Frau während eines Festmahls, das übrigens sechs Monate lang dauerte, wurde eine außerordentliche Regierungsversammlung gewidmet.

Wie wir uns erinnern weigerte sich Königin Vashti, vor den Gästen zu erscheinen und ihre Schönheit zur Schau zu stellen. Dies machte den König außerordentlich ärgerlich. Er wandte sich an seine sieben ranghöchsten Minister und ersuchte ihren Rat. Die Regierung kam zusammen, debattierte über das Thema und entschied, die dreiste Königin zu feuern und sie ihres königlichen Status’ zu entheben. Darüber hinaus wurde sofort ein weit reichendes Gesetz verabschiedet, das jedem Mann das Recht gab, seine Familie zu kontrollieren, und jeder Frau die Pflicht, ihrem Mann zu geben, was er wollte. Dies betraf nicht nur Königin Vashti und König Ahasveros, sondern das gesamte Königreich.
Doch das Leben ging weiter. Das Festmahl endete, der Ärger des Königs schwand und voller Trübsal und Verlangen erinnerte er sich an Vashti und die Bestrafung, die ihr auferlegt worden war. Weil die Entscheidung des Königs nicht rückgängig gemacht werden konnte, brauchte er erneut einen Rat. Dieses Mal jedoch wandte er sich nicht an die Minister seiner Regierung, sondern an seine Diener. Sie schlugen ihm vor, schöne Kandidatinnen aus dem ganzen Land zu versammeln und aus ihnen eine neue Königin zu wählen.

So begann die erste Reality-Show der Welt. Sie war schwungvoller und interessanter als jede Show heutzutage, und der König widmete ihr den größten Teil seiner Energie und Zeit. Eine Kandidatin nach der anderen erschien und wurde getestet – bis das Happyend kam: Unsere Esther gewann! Persien hatte eine jüdische Königin!

Wir werden die seltsame Hochzeitsfeier einer jüdischen Frau mit einem heidnischen Mann an anderer Stelle diskutieren. Im Moment wollen wir den Leser mit der weniger wichtigen Frage belästigen, auf die wir gerade angespielt haben: Warum suchte der König den Rat der Minister als Vashti sich weigerte, seiner Bitte nachzukommen, und warum genügte ihm der Rat seiner Diener nachdem sein Ärger verraucht war? Immerhin ist die Ernennung einer neuen Königin, insbesondere in einem Königreich, das aus 127 Staaten besteht, eine wichtige politische Frage.
Nun, eine Möglichkeit ist, dass der König ärgerlich auf seine Minister war, deren Rat ihn dazu gebracht hatte, seiner hübschen Frau den Laufpass zu geben. Doch es scheint, es gab in diesem Fall eine weitere Überlegung, die selbst Ahasveros verstand: Wenn man sich an eine gewichtige und wichtige Person wendet, wird man mit Sicherheit eine gewichtige und wichtige Entscheidung treffen müssen. Und wenn man den Rat einer einfachen Person sucht, bekommt man auch einen einfachen Rat.

So wurde seine Frau eine Regierungsangelegenheit, weil sich Ahasveros an seine Minister gewandt hatte, und das Thema wurde von der Regierung behandelt und bis zum Punkt der neuen Gesetzgebung aufgeblasen. Später wandte sich Ahasveros an seine Diener und bekam einen einfachen, persönlichen und stichhaltigen Rat. Sie sagten ihm, er habe das Recht eine Frau zu wählen, wobei die Wahl seiner eigenen Betrachtung und seinem eigenen Geschmack unterliege. Sie machten aus dem Problem keine Staatsangelegenheit.
Kurz gesagt: Unsere eigenen Politiker mögen lernen, dass es in manchen Fällen besser ist, einfach nur einen Freund um Rat zu fragen anstatt einen erstklassigen Anwalt anzuheuern. Und in anderen Fällen ist es besser, nur einen Anwalt anzuheuern anstatt sich gleich an den Generalstaatsanwalt zu wenden.
(Yedioth Ahronoth, 03.03.2007)



Quelle: „Newsletter der Botschaft des Staates Israel - Berlin“ vom 5. März 2007


© 2002-2024 Bne Akiwa Switzerland
gedruckt am 30.12.2024 - 16:59
http://www.bne-akiwa.ch/include.php?path=content/content.php&contentid=239